Der kleine Horrorladen - Bild 01

Der kleine Horrorladen

von Howard Ashman und Alan Menken | Staatstheater Kassel 2006

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Besetzung

Jennifer S. Boone, Nadine Hammer, Ulrike J. Nieding, Yvonne Selig,
Tamara Woerner, Michael Boley, Klaus Brantzen, Markus Maria Düllmann,
Oliver Fobe, Herwig Lucas, Andreas Wolfram

Team

Musikalische Leitung: Giulia Glennon
Bühne: Daniel Roskamp
Kostüme: Sabine Böing
Choreografie: Gilda Rebello
Inszenierung: Julia Heymann

Kritiken

blickpunkt musical | 02.2006 | von Stephan Drewianka

Der kleine Horrorladen

Bei der Vielzahl an Inszenierungen dieses Stückes in den vergangenen Jahren scheint es nahezu unmöglich, noch etwas Neues auf die Bühne zu bringen. Bei der Premiere am 22. Januar im Kuppeltheater, das als Ausweichspielstätte für das zurzeit in Renovierung befindliche Staatstheater über eher beschränkte bühnentechnische Mittel verfügt, zeigten Julia Heymann (Regie) und Elke Maul (Dramaturgie), daß in dem viel gespielten Stück immer noch Raum für innovative Ideen steckt.

Die Kulisse des Blumenladens im Pennerviertel sieht mit den metallenen Luftschächten eher kalt und steril aus, der Blumenladen versteckt sich hinter tadelos funktionierenden weißen Jalousien, die den Blick auf die kleine kunterbunte Blumenwelt oft verschließen. Optisch etwas spartanisch gehalten sind die Szenen mit Zahnarzt Orin Scrivello, von dem man als saditstischer Hard-Rocker eigentlich einen Auftritt auf dem Mototrrad erwartet, doch stattdessen kommt er aus einer einfachen Bodenklappe. Auch sein Sprechzimmer mit dem Folter-Zahnarztstuhl muß sich der Zuschauer komplett vorstellen, da sich seine Kunden einfach auf den Boden knien müssen. Doch was sich zunächst als Unzulänglichkeit tarnt, läßt viel Raum für eine Starke erweiterte Rollenauslegung dea Zahnarztes: Markus Maria Düllmann spielt einen diabolischen doktor, der den Zuschauern in der ersten Reihe gnadenlos in den Rachen schaut, eine Gratis-Behandlung mittels Eintrittskarten verlost und dann sogar, weil sich niemand meldet, mit dem Suchscheinwerfer Jagd auf pitentielle Opfer für seinen gigantischen Bohrer macht. Schade, daß der Publikumsliebling viel zu schnell von Seymour, der vom hauseigenen oliver Fobe mit viel Herz, Blut und einer schönen Stimme gespielt wird und der nur auf den ersten Blick etwas zu alt für den Blumengießer wirkt, zu Pflanzendünger verarbeitet wird.

Seine Kollegin Audrey ist mit der "Elisabeth"-erfahrenen Darstellerin Nadine Hammer ebenfalls bestens besetzt, die ihr "Im Grünen irgendwo" romantisch mit Seifenblasenbegleitung oder im Duett mit Seymour bei "Jetzt hast du Seymour" so richtig aufdrehen kann und eignetlich viel zu schön für eine quietschend-piepsige Tussi singt. Herrlich harmonisch geht es bei den drei Erzählerinnen Jennifer Sarah Boone (Chiffon), Ulrike J. Nieding (Chrystal) und Tamara Woerner (Ronnette) zu, die in Begleitung der kleinen, aber feinen Band zu wahren Soul-Sistern werden. Klaus Brantzen zeigt in der Rolle des alten Mr. Mushnik, daß auch diese Figur in den meisten Inszenierungen nicht mit dem nötigen Background ausgetattet wird. Und Andreas Wolfram synchronisiert die mordlüsterne Pflanze mit der passenden Rockröhre aus dem Off. Sabine Böing steckte alle Darsteller in zumeist grün- und pinkfarbene Kostüme, die abwechslungsreich die Handlung unterstreichen.

Natürlich muß jetzt nicht gleich jeder Musicalfan aus München oder Hamburg die weite Reise zum Mittelpunkt Deutschlands antreten, um sich in Kassel diesen kleinen Horrorladen anzusehen - dafür wird dieses Stück nun wirklich zu häufig an Stadttheatern gespielt. Wen es jedoch in dieser Spielzeit in den Norden Hessens verschlägt, der wird an dem kurzweiligen Grusical sicher seine Freude haben...
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Göttinger Tageblatt | 24.01.2006 | von Peter Krüger-Lenz

Leckere Schenkel für gefräßige Audrey Zwo – Musical mit Grusel: „der kleine Horrorladen“ im Kuppeltheater in Kassel

„Der kleine Horrorladen“ zählt zu den Musical-Stücken, bei denen sich ein Intendant kaum Sorgen um Besucherzahlen machen muss, wenn die Inszenierung sauber gearbeitet ist. Auch Thomas Bockelmann, Chef des Staatstheaters Kassel, wird nach der Horrorladen-Premiere am Sonntag im Kuppeltheater auf dem Friedrichsplatz ruhig geschlafen haben.

Meist steht ein einziges Lied für jedes der viel gespielten Musicals. Es bohrt sich ins Ohr, setzt sich dort fest und wird im Gehirn als stellvertretend für das Gesamtprodukt gespeichert. „Der kleinen Horrorladen“ funktioniert anders. Die Musik ist hübsch und eingängig, hat aber nicht diese Ohrwurmqualitäten. Hier wird mit Ängsten gespielt, ein bisschen zumindest. Darum wissend, hat Regisseurin Julia Heymann gerade diesen Horror in ihrem Laden forciert. Im Hintergrund steht minutenlang ein übel verwahrlostes Gebiss an der Projektionsfläche, während der sadistische Zahnarzt Orin Scrivello einem Patienten mit dem Akkubohrer an den Zahnhals geht. Flink reißt er ihm noch einige Beißer aus. Blutüberströmt aber dankbar trollt sich der Tropf. Als Masochist genießt man diese Form von Aufmerksamkeit. Mehr Blut, viel mehr Blut spritzt wenig später, als der brave, aber geistig etwas minderbemittelte Seymour den verstorbenen Doktor mit der Motorsäge zerlegt. Im Untergeschoss zwar, aber der Lebenssaft spritzt wüst nach oben. Später verfüttert Seymour die Leichenteile an seine gefraßige Pflanze Audrey zwo. Unappetitlich schlingt das floristische Ungetüm abgetrennte Schenkel, Unterarme und Gedärm, das Premierenpublikum zeigte sich genügend abgebrüht für solcherlei Schlachterspäße.

Gefräßiges Blümchen — Nahezu die gesamte Riege der Protagonisten fällt dem gefräßigen Blümchen zum Opfer, der fleischfressende Grusel verbreitet sich schließlich mit Hilfe eines geldgierigen Konzerns per Ableger bis in alle Wohnzimmer dieser Welt. Da blitzt ein bisschen Botschaft auf. Der Rest der Geschichte entstammt dem Baukasten für Erfolgsmusicals: armer, ausgebeuteter Junge, vermeintlich unerfüllbare Liebe, Erfolg und Happy End. Diesmal nicht ganz so glücklich.

Heymann hat die Geschichte entsprechend konventionell, aber effektvoll inszeniert, musikalisch wird sie souverän gesteuert von Giulia Glennon. Beeindruckende Sängerinnen und Sänger strahlen auf der Bühne, die Choreographien könnten dynamischer sein.

Zwei Glanzlichter heben die Produktion aus dem Mittelmaß heraus. Nadine Hammer singt ihre naive Audrey zum Herzerweichen schön. Oliver Fobe zeigt als Mitglied des Schauspielensembles, dass er nicht nur ein veritabler Sänger ist. Er demonstriert auch, dass Musical-Figuren Facetten und Tiefe haben können. Großartig. Das Publikum feierte die Premiere ausgelassen, trampelnd und stehend. So kündigt sich ein Publikumsrenner an.
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HNA | 24.01.2006 | von Matthias Lohr

Die große Pflanze Nimmersatt – Das Kasseler Staatstheater vergnügt mit dem Musical „Der kleine Horrorladen“

Das Böse versteckt sich meist im Schönen. Das sieht man schon an einem Strauß Blumen. Am Anfang ist man entzückt über die blühenden Farben, doch dann machen die Pflanzen nur Arbeit. Und am Ende, wenn alles verwelkt ist, herrscht Trauer. Dabei kann es noch viel schlimmer kommen, wie das Kasseler Staatstheater mit dem Musical „Der kleine Horrorladen“ zeigt, das am Sonntag im Kuppeltheater Premiere feierte.

Es geht um eine schöne Pflanze, die einen trostlosen Blumenladen in ein erfolgreiches Unternehmen verzaubert und aus seinem Züchter, einem unscheinbaren Trottel, einen begehrten Mann macht, am Ende aber alles vernichtet. Die skurrile Geschichte basiert auf einem B-Movie des US-Regisseurs Roger Corman aus den 60er-Jahren und wurde als Musical und Musikfilm ein riesiger Erfolg. Julia Heymann hat das Stück in ihrer ersten Regiearbeit in Kassel mit allen Mitteln inszeniert, die eine Horror-Persiflage benötigt: ein bisschen Klamauk, etwas Ernsthaftigkeit, bunte Kostüme (Sabine Böing) und viel Musik von Soul über Rock bis Tango, die von der Band um Giulia Glennon und Jürgen Oßwald gespielt wird. Von den durchweg überzeugenden Sängern glänzen vor allem Jennifer Sarah Boone, Ulrike J. Nieding und Tamara Woerner, die gleich zu Beginn das Titelstück „Little Shop Of Horrors“ im Stil der Supremes singen. Das bezaubernde Gören-Trio kommt immer wieder auf die Bühne um das Geschehen musikalisch zu kommentieren. Und zu kommentieren gibt es einiges: Der trottelige Seymour (Oliver Fobe) arbeitet im Blumenladen von Mr. Mushnik (Klaus Brantzen) und hat sein Herz an seine schöne Kollegin Audrey (Nadine Hammer) verloren, die aber in den ebenso schönen wie sadistischen Zahnarzt Dr. Orin Scrivello (Markus Maria Düllmann) verliebt ist.

Das Geschäft steht kurz vor dem Ruin. Das ändert sich, als eine von Seymour gezüchtete Pflanze zur Attraktion gedeiht. Nun wollen alle etwas von Seymour, sogar Audrey. Der Züchter tauft sie nach seiner Angebeteten „Audrey Zwo“. Allerdings wächst sie nur, wenn sie Menschenblut als Nahrung bekommt.

„Audrey Zwo“, die bald aussieht wie eine Mischung aus einer Killer-Erdbeere und einem verunglückten Gen-Experiment und sprechen gelernt hat, gibt Seymour den Tipp, doch seinen Rivalen, den sadistischen Zahnarzt, zu töten und zu verfüttern. Als Zuschauer weiß man nicht, ob man sich darüber freuen oder ärgern soll. Der böse Schönling Scrivello hat den Tod zweifellos verdient, aber er ist auch der eigentliche Star der Show. Zwischendrin schaut er sogar den Besuchern in der ersten Reihe in den Rachen. Zum Glück aber geht es überdreht weiter. Es gibt ein kleines Kettesägenmassaker, eine Pflanzenfütterung und weitere Opfer – bis Audrey endgültig triumphiert.

Wie gelungen Heymanns Inszenierung ist, erkennt man an den Details: Der Zahnarzt tritt wie ein Teufel durch eine Fußbodenklappe auf die von Daniel Roskamp gestaltete Bühne. Als Nadine Hammer als Audrey eine wunderbar kitschige Ode an das Spießer-Leben mit einem Abo der Klatsch-Zeitschrift „Das goldenen Blatt“ singt, schweben Seifenblasen herab. Und in den Texten wurde ein kluger Kompromiss zwischen Original- und deutscher Version gefunden. In einigen deutschen Aufführungen hatte „Audrey Zwo“ unfreiwillig komisch „Gib´s mir“ statt „Feed me“ gebettelt. In Kassel singt Andreas Wolfram, der der Pflanze seine Stimme leiht, wieder den Titel des Originals. Am Ende gab es tosenden Applaus und Blumen. Düllman machte das einzig Richtige: Er schenkte die blühende Beigabe einer Zuschauerin. Bloß weg mit den bösen Blumen.
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